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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.02.2013


Sukzessive gleicher
Julia Lorenz

In Karlsruhe wurde am 19.02.2013 das geltende Verbot der Co-Adoption eines adoptierten Kindes in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften für verfassungswidrig erklärt. Obwohl das Urteil die Rechte...




...homosexueller Paare von staatlicher Seite aus stärkt, stößt das Modell "Regenbogenfamilie" in der gesellschaftlichen Realität noch immer auf Gegenwind.

Das Bundesverfassungsgericht entschied gestern über die Zulässigkeit der so genannten "Sukzessivadoption": Bisher war es schwulen und lesbischen Paaren erlaubt gewesen, leibliche Kinder der bzw. des Anderen zu adoptieren. Der Adoption angenommener Kinder des/der eingetragenen PartnerIn war jedoch juristisch ein Riegel vorgeschoben - zumindest für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Zwei lesbische Frauen aus Münster, die seit 2004 ihre Adoptivtochter aus Bulgarien gemeinsam großziehen, hatten laut "taz" gegen die Nichtzulassung geklagt.

In Karlsruhe wurde die Entscheidung gegen die gesetzliche Ungleichbehandlung homo- und heterosexueller Partnerschaften mit dem Verweis das Gleichheitsgebot in Art. 3, Abs. 1 der Verfassung begründet. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 30. Juni 2014 die Gesetze entsprechend anpassen, die Sukzessivadoption ist jedoch bereits ab jetzt möglich.

Christiane Taubira versus Andrea Voßhoff

Ein später Erfolg für Homosexuelle in der Bundesrepublik: Als neunter europäischer Staat war vor rund einer Woche, am 12. Februar, auch Frankreich in Gleichstellungsfragen an Deutschland vorbeigezogen. Die Nationalversammlung hatte sowohl das gemeinsame Adoptionsrecht als auch die allgemeine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nach heftigen Diskussionen beschlossen. Die französische Bevölkerung ist laut der Tageszeitung die Welt in Bezug auf die Gleichstellungsfrage nach wie vor tief gespalten. Eine Verfechterin der Gleichstellung ist die Justizministerin Frankreichs. Sozialistin Christiane Taubira verteidigte in ihrer als "historische Rede" verstandenen Ansprache vor der Nationalversammlung das Recht auf die Ehe zwischen Lesben und Schwulen, sowie das Adoptionsrecht. Und ergreift so Partei gegen die Konservativen, die durch die Gesetzesänderung "das Ende der Familie" herannahen sehen.
Auch in Deutschland ist die Akzeptanz der Entscheidung keineswegs Konsens.
Die CDU-Rechtsexpertin Andrea Voßhoff spricht eine andere Sprache. Ihrer Meinung nach ..."sollte der Gesetzgeber (bei einer Adoption, Anm.d.Red.) dafür sorgen, dass ein Kind eine Familienkonstellation mit Mutter und Vater vorfindet."

Freude, Bedenken, Unwohlsein

Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, zeigt sich in Hinblick auf den Beschluss euphorisch: Das Urteil stärke die Rechte von Kindern in Regenbogenfamilien und bewirke, dass diese endlich den Kindern in heterosexuellen PartnerInnenschaften gleichgestellt werden. Auch der Deutsche Juristinnenbund begrüßt die Entscheidung. Brigitte Meyer-Wehage, Vorsitzende der djb-Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht sowie Recht anderer Lebensgemeinschaften, hält fest, es sei für jedes Kind gut, wenn ein zweiter Elternteil nicht nur sozial-familiär, sondern auch rechtlich vorhanden ist, insbesondere mit Blick auf sorge-, unterhalts- und erbrechtliche Beziehungen.

In den Medien stößt das Urteil aus Karlsruhe ebenfalls auf breite Resonanz. Während es der Beschluss gar auf die heutige Titelseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schaffte und somit zeigt, dass der Diskurs um die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ist der Tenor im Netz ein anderer: Von "leichtem Unwohlsein" bis hin zu "Verwahrlosung" der Kinder in Regebogenfamilien ist in den LeserInnenkommentaren die Rede.

In der Politiklandschaft sind die Rollen in Bezug auf die Gleichstellung klar verteilt: Alle gegen die Union. Vier der fünf großen Bundestagsparteien befürworten die Angleichung des Ehe- und Adoptionsrechts für schwule und lesbische Paare. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ließ gemäß ZEIT bereits im Vorjahr ihre Ansichten zur Adoption seitens homosexueller Partnerschaften verlauten: "Wenn mehr gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben, ist das wunderbar." Im Gegensatz dazu meldete CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt laut Münchner Abendzeitung "persönliche Bedenken" in Hinblick auf das Urteil an.

Polemisieren gegen die Fakten

Dabei liegt ein wissenschaftlicher Beweis gegen die Behauptung, eine Kindheit in einem homosexuellen Elternhaus beeinträchtige die Entwicklung, bereits vor: In einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2009 zur Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die im Auftrag des Bundesjustizministeriums durchgeführt wurde, konnte festgestellt werden, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihre Familiensituation als positiv bewerten. Darüber hinaus beeinflusse das Leben in einer Regenbogenfamilie eine Entwicklung hin zu mehr Offenheit, Toleranz und Selbständigkeit. Einen deutlichen Nachteil stellt allerdings die Furcht vor Ablehnung oder Diskriminierung im Umfeld dar: Rund 47 % der Kinder aus schwulen oder lesbischen Haushalten haben bereits Erfahrungen mit Beschimpfungen oder Hänseleien aufgrund ihrer Familiensituation gemacht.

Die gesellschaftliche Inakzeptanz hindert schwule und lesbische Paare jedoch nicht daran, den Prozess der Gleichbehandlung homo- und heterosexueller Partnerschaften weiterhin voranzutreiben. So fordert Manfred Bruns die GesetzesgeberInnen nach dem gestrigen Urteil auf, alle noch bestehenden Ungleichheiten im Adoptionsrecht zu beseitigen. Dies ließe sich schnell und unbürokratisch durch die Aufhebung des Verbots der gemeinschaftlichen Adoption bewerkstelligen. In seiner Erklärung zur Entscheidung in Karlsruhe unterstreicht Bruns zudem: "Ideologische Blockaden haben im Familienrecht nichts zu suchen."

Immerhin ist die sexuelle Orientierung von Paaren zwar keine Garantie für das Gelingen, jedoch auch nicht für das Scheitern der Elternschaft. Erwiesenermaßen.


Weitere Hintergrundinformationen finden Sie unter

www.bundesverfassungsgericht.de

www.lsvd.de

www.djb.de


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Beitrag vom 20.02.2013

Julia Lorenz